MERLE FAKTOR – SCHÖN ABER GESUNDHEITSGEFÄHRDEND

By 11. März 2020Wissenswertes

Merle Faktor – Schön aber gesundheitsgefährdend

Farben machen die Welt bunter, auch die Tierwelt! Selten ist eine so große Farbvielfalt anzutreffen, wie in der Tier- und Pflanzenwelt. Auch in unseren Hunderassen gibt es viele bunte Hunde. Je nach Rasse ist eine unterschiedliche Palette an Fellfarben gegeben, doch gerne werden neue Fellzeichnungen eingekreuzt um noch bunter zu werden. Züchter unternehmen große Anstrengungen, Hunde mit besonderen Fellfarben zu züchten, die speziell von den zukünftigen Welpenkäufern gewünscht werden. Während die meisten dieser Fellfarben einfache genetische Merkmale ohne große gesundheitliche Bedenken darstellen, sind manche Merkmale, zu denen auch die Farbe Merle zählt, einzigartig. Die Fellzeichnung Merle ist komplex in ihrer Vererbung und birgt zudem potenzielle Gesundheitsrisiken in sich, die sowohl Züchter wie auch Tierärzte kennen sollten, um das Wohlbefinden von Hunden zu fördern.

Eine komplexe Mutation für ein komplexes Erscheinungsbild

Im Jahr 2006 identifizierten Dr. Leigh Anne Clark und andere Wissenschaftler eine genetische Mutation, die für die Farbe Merle verantwortlich ist. Sie ist bei zahlreichen Hunderassen, einschließlich Australian Shepherd, Collie, Border Collie und Dackel zu finden. Die typische Merle-Färbung zeichnet sich durch eine willkürliche, fleckige Farbaufhellung aus, die das Fell gesprenkelt oder marmoriert aussehen lässt. Betroffen sind ausschließlich die Bereiche im Fell, die durch Eumelanin (schwarzes/braunes Pigment) gefärbt werden. Hierauf hat Merle eine dominante Wirkung. Fellbereiche, die mit dem roten Pigment Phaeomelanin gefärbt sind, werden nicht durch Merle beeinflusst. Die selektive Wirkung auf nur einen Pigmenttyp wird daher als semidominant bezeichnet.

Die Merle-Färbung lässt nicht nur das Fell einzigartig aussehen, auch die zu Grunde liegende Genetik ist etwas Besonderes. Der Merle-Faktor zeichnet sich durch eine genetische Insertion aus, d.h. innerhalb des betroffenen Gens PMEL17 hat sich per Zufall eine zusätzliche Gen-Sequenz eingefügt. Die zusätzliche Sequenz kann von Hund zu Hund unterschiedlich lang sein. Man geht davon aus, dass je länger diese Insertion ist, umso stärker prägt sich die Merle-Zeichnung durch eine intensivere Aufhellung aus.

Phänotypische Gruppeneinteilung

Da die Unterschiede der Insertionslängen im PMEL17 Gen einen Einfluss auf die Farbgebung des Merle-Patchworks haben, wurde eine Klassifizierung der Gen-Längen festgelegt (angegeben in Basenpaaren (bp)): 200 – 246 „kryptisches“ Merle (Mc), 247 – 264 „atypisches“ Merle (Ma), 265 – 269 „klassisches“ Merle (M), 270 – 280 „Harlekin“ Merle (Mh).

  • Kryptische Merle-Hunde (Mc) oder Phantom-Merle genannt, zeigen keine Veränderungen der Fellfarbe oder nur sehr kleine unauffällige Bereiche am Körper können auf Merle hindeuten.
  • Atypische Merle-Hunde (Ma) zeigen meist eine verdünnte Fellfarbe, können aber auch rötliche Veränderungen des Fells oder andere Anomalien aufweisen.
  • Klassische Merle-Hunde (M) haben große, unregelmäßig geformte, vollständig pigmentierte Bereiche, die durch Bereiche mit verdünnter Fellfarbe getrennt sind. Die Verteilung der Flecken ist zufällig. In einigen Fällen können klassische Merle-Hunde nur in begrenzten Bereichen des Körpers eine Verdünnung der Fellfarbe aufweisen.
  • Harlekin Merle Hunde (Mh) weisen ein als Harlekin bezeichnetes Muster auf, bei dem das Haar zwischen verdünnten und voll pigmentierten Bereichen vollständig weiß ist. In einigen Fällen weisen Hunde dieser Gruppe ein Muster auf, das als „Patchwork“ oder „Tweed“ bezeichnet wird. Hierbei zeigt das Fell mehrere Farben mit mehreren Schattierungen, mit oder ohne Weiß.

Für die meisten Merle-Hunde ist diese genetische Klassifizierung in Übereinstimmung mit dem tatsächlichen Phänotyp des Hundes. Jedoch sind Abweichungen der Klassifizierung möglich. Es wird vermutet, dass Merle noch von weiteren, bislang unbekannten genetischen Faktoren abhängen könnte.

Das Merle-Mosaik

Eine weitere Besonderheit der Merle-Insertion ist die Instabilität der zusätzlichen Sequenzlänge (Insertion). Bei der Zellteilung wird das Erbgut für die neu entstehende Zelle kopiert, sodass die neue Zelle die gleiche Erbinformation erhält. Bei diesem Kopiervorgang können kleine Fehler auftreten, die das Merle-Gen PMEL17 betreffen. Die Merle-Insertion ist anfällig für Verkürzungen sowie auch Verlängerungen. Die mit diesem Phänomen verbundenen genetischeen Veränderungen werden als Mosaizismus bezeichnet, was sich von dem Wort „Mosaik“ ableitet. Bei einem Mosaik werden beispielsweise verschiedenfarbige Steine oder Fliesen zu einem Bild zusammengesetzt. Im Fall von Merle beschreibt es Zellen von Merle-Hunden, die unterschiedlich lange Genvarianten des Merle-Gens in sich tragen. Betrifft dieser Mosaizismus nun Körperzellen, so wird dieser nicht an die Nachkommen weitergegeben. Man geht davon aus, dass dieser Effekt für die zufällige Verteilung des Merle-Musters verantwortlich ist. Werden allerdings Keimbahnzellen, also Eizellen oder Spermien mit unterschiedlich langen Merle-Genen gebildet, so werden diese sehr wohl an die Nachkommen weitervererbt.

Fellfarbe mit Potential zur Gesundheitsgefährdung

Die Farbe Merle ist in unterschiedlichsten Hunderassen sehr begehrt und wird dementsprechend auch gerne gezüchtet. So sind diese Hunde doch in gewisser Weise einzigartig, da sich die Verteilung des Merle-Musters nicht vorhersagen lässt. Die Schönheit der Merle-Hunde ist aber aufgrund der Vererbung und den damit verbundenen gesundheitlichen Aspekten mit einer großen züchterischen Verantwortung verbunden.

Die Merle-Mutation bewirkt, dass das Farbpigment Eumelanin per Zufall an Körperstellen reduziert wird oder gar wegfällt. Klinische Studien haben gezeigt, dass der Weißanteil von Hunden, die zwei genetische Anlagen für Merle tragen deutlich höher ist, als von Hunden mit nur einem Merle-Gen. Eumelanin bildende Zellen (Melanozyten) sind wichtig für die Entwicklung und die Ausbildung der Seh- und Höhrsinneszellen. Können die Sinneszellen kein Eumelanin bilden, so kann es zu Blindheit und/oder Taubheit führen. Weiterhin sind bei Doppelmerle-Hunden abnormal kleine Augen (Mikrophthalmie) und Spaltbildungen der Iris (Kolobome), sowie Sonnenunverträglichkeit, Hautkrebs und skelettale Missbildungen dokumentiert worden. Aus diesem Grund haben Doppelmerle-Hunde ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen. Für die Zucht wird daher abgeraten, zwei Merle Hunde miteinander zu verpaaren. Merle Hunde mit einer typischen Fellzeichnung können leicht identifiziert werden, doch den kryptischen Merle Hunden ist die Merle-Genetik nicht anzusehen, sodass Züchter Gefahr laufen, diese mit einem klassischen Merle Hund zu verpaaren. Bereits der Genotyp M/Mc (klassisches Merle / kryptisches Merle) kann gesundheitliche Einschränkungen mit sich bringen. Nicht außer Acht zu lassen ist die unvorhersehbare und seltene Möglichkeit, dass sich die Länge des Merle-Gens verändern kann. Es ist möglich, dass sich z.B. ein kryptisches Merle-Allel in der nächsten Generation zu einem klassischen Merle-Allel umwandelt (~ 3 %). Daher ist es ratsam Mc-Träger ausschließlich mit nicht Merle Hunden zu verpaaren.

Unsere Farbgenetik-Experten von FERAGEN empfehlen daher, dass bei allen Hunden, die mit einem Merle-Hund verpaart werden sollen, eine M-Lokus Bestimmung durchgeführt wird. So kann exakt ermittelt werden, welcher Genotyp vorliegt. Die sicherste Form einer Verpaarung in Bezug auf die Merle-Insertion ist dann gegeben, wenn der zweite Hund keine Merle-Variante trägt. So kann in den Nachkommen sichergestellt werden, dass Doppelmerle assoziierte gesundheitliche Beeinträchtigungen vermieden werden.

Ausi - Merle

Obwohl allgemein bekannt ist, dass homozygote Hunde für die Merle-Insertion, ein hohes Risiko für bestimmte Defekte haben, konnte in mindestens einer Studie gezeigt werden, dass heterozygote Merle-Hunde im Vergleich zu Hunden ohne der Mutation ein signifikant höheres Risiko für eine ein- oder beidseitige Taubheit aufweisen. Eine andere Studie konnte ebenfalls einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Taubheit und dem Merle-Phänotyp ohne Berücksichtigung des Genotyps feststellen. Darüber hinaus zeigten Merle-Welpen mit zwei blauen Augen, ein häufiges Phänomen bei Merle-Hunden, und Merle-Welpen mit einem übermäßigen Weißanteil am Kopf ebenfalls ein signifikant höheres Risiko, taub zu sein. Da in dieser Studie jedoch keine Genotypen angeführt wurden, ist es möglich, dass einige der tauben Hunde in dieser Studie tatsächlich homozygot für die Merle-assoziierte Insertion (mit variabler Länge) waren, wodurch sich ein erhöhtes Risiko für Gehörprobleme ergab, auch wenn sie nicht das extrem weiße „Doppel-Merle“-Erscheinungsbild zeigten.

Die Sorge der Gesundheit in Bezug auf Merle hat noch einen anderen Fokus. Der Merle-Trend veranlasst Züchter zu Einkreuzungen von Merle Hunden in Rassen, die eigentlich kein Merle tragen. Mittlerweile sind Merle-Farbgene in Französischen Bulldoggen, Chihuahuas und Dackeln keine Seltenheit mehr. Neuerdings schmücken sich auch Pudel, Cocker Spaniel, Beagle und Labradore mit dem auffälligen Merle-Fell. Was tendenziell bei Einkreuzungen außer Acht gelassen wird, sind die genetischen Erkrankungen, die in vielen Rassen zu finden sind. Neben der weitverbreiteten Merle-Zeichnung in Hütehunderassen ist die genetisch bedingte Medikamentunverträglichkeit (MDR1) eine Erkrankung, die mittlerweile auch im Pudel zu finden ist. Um einer unnötigen, rasseübergreifenden Verbreitung von rassespezifischen Erberkrankungen vorzubeugen, ist es ratsam, die jeweiligen Hunde für Einkreuzungen genetisch genauer unter die Lupe zu nehmen. Um eine gesunde Zucht und Einkreuzung zu unterstützen, kann ein genetisches Screening auf Erbkrankheiten für die Auswahl der Zuchttiere genutzt werden.

Kontaktieren Sie unsere Farb- und Gesundheits-Spezialisten von FERAGEN!

Eine genetische Testung des M-Lokus bei Hunden umfasst eine hochauflösende Bestimmung der Merle-assoziierten Insertionslänge sowie eine detaillierte Interpretation in Bezug auf die Länge der Insertion. Mit dem Wissen rund um die Merle-Mutation, ihrer Vererbung aber auch ihrer phänotypischen und gesundheitlichen Ausprägungen sind sowohl Tierärzte wie auch Züchter bestens gerüstet, unnötiges Leid im Zusammenhang mit dieser einzigartigen Fellfarbe zu verhindern. Wenn Sie noch weitere Informationen rund um die Merle-Mutation benötigen oder Fragen zu Phänotypen, Genotypen oder dem praktischen Zuchteinsatz haben, kontaktieren Sie unsere Experten von FERAGEN. Wir helfen Ihnen gerne!

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Literatur:

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